Bremerhaven - eine Reise Wert
Dass Städtereisen weder langweilig noch dröge sind, sondern durchaus extrem individuell sein können, beweist meine Reise nach Bremerhaven. Bremerhaven steht wohl auf der Beliebtheitsskale für Städtereisen eher nicht an oberster Stelle – zu Unrecht – naja, es kommt auf dein Interessengebiet an.
Am besten ist Bremerhaven per Zug zu erreichen – über Bremen als Umsteigebahnhof, je nachdem aus welcher Richtung du kommst. Mit dem Auto geht es zwar auch – aber Parken ist nicht so prickelnd in dieser Stadt – außerdem kannst du viele Strecken zu Fuß gehen oder du leihst dir ein Fahrrad – denn die Stadt ist für Fahrradfahrer sehr gut ausgebaut – weil kaum nennenswerte Steigungen da sind.
Bei meiner Reise habe ich im havenhostel Bremerhaven übernachtet, das ist eine ehemalige Kaserne – mit dem Bus ab dem Bahnhof gut erreichbar. Die Zimmer haben individuellen maritimen Anstrich und können je nach Gruppengröße (wenn du mit deinen Freunden oder deiner Familie unterwegs bist) einzeln oder gemeinsam mit anderen Reisenden belegt werden (muss man halt für offen sein).
Nach dem Bezug meines Zimmers führte mein erster Weg mich fußläufig in das Deutsche Schiffahrtsmuseum (kein Schreibfehler, da Eigenname!). Hier findet sich für jeden maritim Interessierten sowohl etwas im Dauerausstellungsbereich als auch im Wechselausstellungsbereich. Das aktuelle Programm ist jeweils auf der Homepage einsehbar unter www.deutsches-schiffahrtsmuseum.de. Neben den Exponaten im Innenbereich sind besonders die alten Schiffe im Außenbereich zu empfehlen, die man in fast jedem Winkel besichtigen kann. Wenn du Glück hast, dann ist an Bord eine Aufsichtsperson, die früher einmal zur See gefahren ist. Wenn du freundlich bist und diese Person in einen netten Schnack verwickelst, erfährst du Dinge aus der Seefahrtsgeschichte, die du in keinem Buch nachlesen kannst. Ich hate so ein Glück und traf einen ehemaligen Bootsmann, der mir stolz zeigte wie früher die Decks kalfatert wurden – also mit Werg und mit Teer „dicht“ gemacht – damals gabs eben noch kein Silikon aus dem Baumarkt. Auch erzählte er mir damals was ein Schiffsjunge an Bord zu tun hatte, was er verdiente, wie er seinen Verdienst aufbessern konnte etc.
Im Prinzip kannst du dich in diesem Museum und bei den Exponaten den ganzen Tag aufhalten. Zwischendurch kannst du dich in der museumseigenen Cafeteria stärken. Für jeden Geschmack und Gaumen sollte etwas mit dabei sein. Wusstest du, dass es auch eine eigene Museums-Bibliothek gibt? Hier findest du als Student oder als Forschender wunderbare Bücher und Zeitdokumente, die in kaum einer anderen Bibliothek vorrätig sind.
Gleich nebenan ist das Klimahaus. Das ist eine ganz andere Welt – und gleichzeitig kannst du dort eine Reise einmal um den Globus herum vornehmen und dabei sämtliche Klimazonen unterwegs mit allen Sinnen erleben. Ja, du hast richtig gelesen. Du startest in der Schweiz und landest irgendwann in der Arktis im Eis, kannst deinen Händeabdruck in einer dicken Eiswand hinterlassen (wenn du es lange genug gegen die Eiswand aushältst), begegnest in der Wüste der Leere und Trostlosigkeit eines trockenen Teils von Afrika, landest irgendwann einmal im Urwald einer Südseeinsel und erfährst nebenbei viel Wissenswertes über Land, Leute und Klima. Ob dies nur was für Schüler ist? Nein, durchaus nicht! Jeder kann hier wertvolle Dinge lernen und erleben.
Ein Stück weiter oben gibt es das Auswandererhaus. Es steht an der Stelle, wo vor über 100 Jahren die Auswandererschiffe nach Übersee ablegten. Auch hier kannst du eine Reise mit allen Sinnen antreten, indem du ein Ticket löst und damit gleichzeitig in die Vita einer Person aus der Vergangenheit schlüpfst, die von hier aus ihre eigene Reise mit dem Dampfer startete. Unterwegs erfährst du, was diese Person unterwegs erlebt hat, womit sie sich auseinanderzusetzen und zu arrangieren hatte und kannst mit allen Sinnen ihren Weg ein klein wenig nacherleben (ohne seekrank zu werden!). Du wandelst ein wenig durch die Zeit, durch die verschiedenen Reisekomfortzonen und kommst irgendwann auf Ellis Island an – dort, wo die amerikanische Einwanderungsbehörde seinerzeit ihren Sitz hatte. Du kannst testen, ob du den Einwanderungstest bestehen würdest.
Hier gibt es eine Mediathek, wo du nachforschen kannst, ob du vielleicht Vorfahren hast, die den beschwerlichen Weg über die Auswanderung nach Übersee auf sich genommen haben. Du solltest dir mindestens einen halben Tag für das Auswandererhaus einplanen.
Entspannen kannst du beispielsweise bei einer Barkassentour. Davon gibt es hier am Hafen verschiedene – je nach Geschmack. Ich persönlich empfehle die Große Pötte Tour. Der Barkassenkapitän hat jede Menge Informatives und Witziges unterwegs zu erzählen. So nah wie bei dieser Tour kommst du den Ozeanriesen selten. Du hast auch die Chance in Trockendocks oder Reparaturarbeiten zuzuschauen.
Ein weiteres Highlight ist ca. 10 – 15 Fahrradminuten von hier entfernt. Du solltest dir ca. ½ bis einen ganzen Tag einplanen. Und zwar für das Historische Museum Bremerhaven. Hier kannst du viel über Arbeit, Arbeiter und Lebensbedingungen der Menschen um die Jahrhundertwende erfahren. Du kannst mit allen Sinne erfahren wie es ist als Nieter zu arbeiten (das waren die Jungs, die die Eisenplatten damals mit Hammer und Nieten zusammengekloppt haben. Nicht nur anstrengend für die Muckis, sondern auch extrem laut. Du erfährst über Berufe, die mittlerweile ausgestorben sind und auch, wie international seinerzeit zusammengearbeitet wurde – z.B. im Kanalausbau.
Neben dem Museum gibt es viele kleine Lädchen / Büdchen, die zum Bummeln einladen. Und Fisch gibt es hier satt und frisch auf den Teller – du wirst selten besseren und authentischeren Fisch verspeisen. Alles ist ein wenig robust – also lass den feinen Zwirn und die Stöckelschuhe zu Hause.
Auch interessant ist das ehemalige Fischereiboot MS GERA. Das ist ein Seitenfangtrawler. Hier spürst du quasi noch den Fischfang in den leeren Räumen des Museumsschiffes.
Und wenn du Muße hast, dann kannst du auch von hier aus eine Barkassentour unternehmen und wieder eine andere Seite von Bremerhaven erleben – vorbei an den ehemaligen Fischhallen, die heute leer stehen, denn der Fischfang lohnt sich nicht mehr in Bremerhaven. Dafür ist die Windkraft jetzt ein neuer und ertragreicher Industriezweig.
Machbar ist diese vorgestellte Tour an einem verlängerten Wochenende.
Ich wünsche Dir viel Spaß bei deinen eigenen Erlebnissen in dieser wunderbar maritimen Stadt.
INFOS:
havenhostel Bremerhaven
Buergermeister-Smidt-Str. 209
27568 Bremerhaven
Telefon:0471 3096690
https://www.havenhostel.de/bhv/startseite/
Deutsches Schiffahrtsmuseum
Hans-Scharoun-Platz 1
27568 Bremerhaven
Telefon: 0471 482070
Klimahaus Bremerhaven 8° Ost
Am Längengrad 8
27568 Bremerhaven
Telefon: 0471-902030-0
https://www.klimahaus-bremerhaven.de
Deutsches Auswandererhaus
Columbusstraße 65
27568 Bremerhaven
Telefon: 0471 / 90 22 0 – 0
Historisches Museum Bremerhaven
An der Geeste
27570 Bremerhaven
Telefon: 0471 30816-0
https://www.historisches-museum-bremerhaven.de/
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