Shark Valley – und wie ich die Krokodile überlebt habe….
Wenn man auf Reisen geht, will man sich bekanntlich von seiner besten Seite zeigen und nicht mit ausgelatschten Schuhen durch die Gegend laufen. Stolz bin ich also auf meinem Florida-Trip mit brandneuen Schuhen in Shark Valley auf einen vermeintlich kleinen Spaziergang gegangen. Bei dem flachen Land in den Everglades wirkt alles sehr nah – Fauna und Flora wuchern wild und verfremden damit die menschliche Fähigkeit der Entfernungseinschätzung. Vom Visitor Center aus sollte es bis zum Ende der Landspitze und wieder zurück gehen – alles in Sichtweite. Ich stapfte also fröhlich durch das wilde Grün und erfreute mich des milden Wintertages mit angenehmen Temperaturen hier im Süden von Florida.
Die Mücken stachen zurückhaltend und alles hätte wunderbar sein können, wären da nicht diese neuen Schuhe gewesen, die im Geschäft wie angegossen passten, aber im Laufe meiner Wanderung durch die Wildnis anfingen an der Ferse zu reiben. Auch schien der anvisierte Turm, der vom Visitor Center aus noch so nah erschien, nicht näher kommen zu wollen. Zu hören war nichts als das vertraute Zirpen der Grillen und fremd anmutende Schreie von Wasservögeln – ab und zu raschelte etwas im Gestrüpp und auch ein wildes Aufplatschen im Wasser was gelegentlich zu hören…. vermutlich Krokodile….aber ganz weit weg… hoffte ich zumindest.
Die Strecke schien kein Ende zu nehmen und die Füße schmerzten immer heftiger – doch ausziehen wollte ich sie nicht – schließlich war das hier kein englischer Rasen, auf dem ich mich bewegte – und auch wenn ich mich nicht vor Schlangen fürchte wie Indiana Jones, so war es mir doch lieber meine Schuhe anzubehalten. Mit jedem Schritt fiel es mir schwerer voranzukommen – und ich wollte schon aufgeben und den nächstbesten Ranger um Hilfe rufen – doch da war keiner weit und breit. Mühsam schleppte ich mich voran und hoffte noch vor Sonnenuntergang wieder am Visitor Center zu sein – denn nachts hier draußen in der Wildnis – das musste ich mir nun wirklich nicht antun. Irgendwann waren die Fersen jedoch so wund, dass ich kaum noch einen Schritt gehen konnte – und sogar die Fußsohle schien mit handtellergroßen Blasen übersät zu sein. Der Gedanken einfach zurück zu schwimmen schien verlockend, erstens wegen dem kühlen Nass und zweitens, um die Füße zu entlasten. Ich setzte mich für eine kleine Rast ans Ufer auf einen Stein und wartete auf das Nachlassen des Schmerzes – da sah ich im Uferdickicht sich etwas bewegen – oder war es nur ein Stein?
Nein – da lag etwas Dunkles, matt schimmerndes Etwas im Wasser – vermutlich nur ein Baumstamm. Konnte ich es wagen, die Füße ins Wasser zu strecken – nur für fünf Minuten? Ich wartete einige Minuten ab und beobachtete den stumpfen Baumstamm im Wasser – zumindest dachte ich, dass es einer wäre… denn er bewegte sich nicht. Also wagte ich es meine Fußspitzen in das kühle Nass zu tauchen… da wurde der vermeintliche Baumstamm plötzlich aktiv, begann auf mich zuzuschwimmen, riss das Maul mit den gelblichen langen Zähnen auf und gab ein grauslig dumpfes Grollen von sich….
Ich starrte zunächst wie versteinert auf das Urzeitmonster, dass da auf mich zugeschwommen kam, zog geistesgegenwärtig die Füße aus dem Wasser, packte meine Schuhe, schlüpfte trotz Blasen hinein und rannte wie ein Verrückter vom Wasser weg. Genau da kam ein Ranger vorbei, rief mir etwas zu, das ich nicht verstand und schleuderte irgendetwas in Richtung des Monsters, zu dem ich mich nicht mehr wagte mich umzusehen. Es gab ein schreckliches Platschgeräusch, noch mehr Wasser wurde aufgewirbelt – vielleicht ein Kampf – und dann war es wieder ganz still.
Der Ranger zog seine Sonnenbrille ab und bot mir an mitzufahren. Ich kroch auf den Beifahrersitz und musste erstmal durchatmen.
„They are quick, buddy“, sagte er lachend und fuhr mich zum Visitor Center zurück.
Was war geschehen? Der Ranger hatte dem Krokodil einen Köder als Ablenkung zugeworfen, das es zu erlegen versuchte im Wasser. Weder dem Krokodil noch mir ist etwas geschehen – außer dem Schreck.
Die Moral von der Geschicht? Trage niemals neue Schuhe im Urlaub – denn sie können dich in Gefahr bringen.
Alle Bildrechte (außer wo unter dem Bild anders vermerkt) liegen beim Autor.